1.8. (Tag 4)

25.05.2015 12:28

1.8.

In der Nacht weckte mich eine Whatsapp-Nachricht von Jannis:

Schläfst du schon?

 

Grinsend schrieb ich zurück:

Ja ;-)

 

 

Dann ist gut

 

Und was machst du noch so spät auf?

 

Mit dir schreiben und über Sachen nachdenken

 

Über was denkst du nach?

 

Dieses und jenes

 

Ich lese gerade ein Buch für die Uni

 

Und welches?

 

Die Welle von Morton Rhue

 

Ich dachte du hast gerade geschlafen?

 

Ich hab's gelesen, bevor ich eingeschlafen bin

 

Ist das Buch so Langweilig?

 

Es geht

Hast du morgen schon was vor

Ich glaube Mira wollte shoppen gehen,

habe aber keine Lust darauf

 

Dann können wir ja was unternehmen

 

Gerne! Und was?

 

Lass dich überraschen. Bring aber Schwimmsachen mit.

Und komm um 12 Uhr zu unseren Räumen.

 

Ich zerrte sie mit den Worten „Ich brauche das perfekte Outfit für eine Verabredung mit Jannis.“ aus dem Bett. Offenbar war der gestrige Abend noch lange gewesen, denn als ich gegen 1 Uhr nachts in mein Zimmer zurückging, waren Mira und Ethan noch am tanzen gewesen.

Du hast ein Date?“ fragte Mira aufgeregt. Das Wort Date hatte ich eigentlich vermeiden wollen.

Anscheinend!“ antwortete ich.

 

Gegen 12 Uhr klopfte ich an die Tür des Wohnbereiches der Familie Martinez. Eine blonde Frau öffnete. „Hi, ich bin Alicia und wollte zu Jannis.“ sagte ich in meinem höflichsten Tonfall. „Jannis!“ rief sie über die Schultern hinweg. Jannis kam zur Tür. Seine Haare waren noch ein bisschen nass, wahrscheinlich hatte er gerade geduscht. Er trug ein rotes Hemd und blaue Jeans. „Ally!“ er strahlte. „Hi!“sagte ich.

Er zeigte auf die blonde Frau: „Das ist Estelle, die Verlobte meines Vaters.

Estelle: Das ist Alicia“ „Nett dich kennenzulernen.“ sagte sie auf fast akzentfreien Deutsch. „Ganz meinerseits.“ erwiderte ich

Estelle war hübsch. Sie hatte lange blonde Haare, blaue Augen und trug nicht besonders viel Make-Up. „Ich bin gleich fertig.“ sagte Jannis und ging in sein Zimmer. Ich folgte ihm. Sein Zimmer war nicht groß, aber gemütlich.

Über seinem Schreibtisch hing ein Poster des Pariser Fußballclubs Paris St. Germain. An der anderen Seite über dem Bett hingen eine menge Autogrammkarte, unter anderem von One Direction, Selena Gomez, Lady Gaga, Miley Cyrus, Demi Lovato, Zedd, Kristen Stewart, Theo James und vielen anderen. „Wow, dass sind aber viele Autogramm.“ sagte ich.

Ja, einige sind von Promis, die schon mal in unserem Hotel übernachtet habe. Aber einige anderen sind von Filmpremieren oder anderen Events.“

Während ich mir die Fotos von der Pinnwand ansah, dachte ich über ihn nach. Eigentlich wusste ich kaum was von ihm. Neben dem Foto, was Ethan, Mira, er und ich am Eiffelturm gemacht haben und einen Foto von ihm, Estelle und seinem Vater hing ein Foto von ihm mit 2 hübschen Frauen. Die Ähnlichkeit war verblüffend: Alle 3 hatten braune Haare und grüne Augen.

Sind das deine Mutter und deine Schwester?“ fragte ich.

Ja, meine Mutter und meine Zwillingsschwester Valeria.“

Ich betrachtete seine Mutter. Sie kam mir irgendwie bekannt vor.

Warte mal, dein Mutter ist doch nicht etwa Anna Martinez?“ fragte ich mit großen Augen. Anna Martinez war Miras großes Idol. Eine großartige Cellospielerin.

Doch, meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich 6 war, weil meine Mutter durch die Welt reist, um Auftritte zu absolvieren. Sie kommt ab zu mal vorbei und zu Weihnachten. Mich überrascht es, dass du sie kennst.“

Sie ist Miras absolutes Idol. Aber sie ist ja deutsche.“ „Ja, daher kann ich so gut deutsch. Wieso wundert dich das?“ „Ich habe irgendwie gedacht, deine Mutter wäre Französin. Weil dein Vater ja Spanier ist.“

Jannis schien das Thema „Anna Martinez“ unangenehm zu sein, deswegen sagte er: „Kommst du? Wir müssen langsam mal los.“ Ich folgte ihn und wir stiegen in sein Auto. Er fuhr eine Weile lang, Richtung Stadtrand. Währenddessen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich kannte Jannis erst wenige Tage, und trotzdem bin ich zu ihn ins Auto gestiegen. So viel Unvorsichtigkeit hatte ich mir seid der Trennung von Harry nicht erlaubt.

Ist irgendwas?“ fragte Jannis mich. „Nö, wieso?“ „Du bist so still.“

Ich habe nachgedacht.“ „Und worüber?“

Über dies und jenes.“ antwortete ich und lächelte. Ich musste lachen. Hier in Paris musste ich schon ziemlich oft lachen. Es viel mir aber auch schwer, glücklich zu sein und nicht lachen. Außerdem lachte Jannis viel, und lachen steckte wie gähnen an. Er lachte: „Ich würde gerne wissen, was in deinem klugen Köpfchen vorgeht!“

Flirtete er mit mir? „Ich habe gerade daran gedacht, dass ich seit Monaten nicht mehr so viel Zeit mit einem Jungen verbracht habe.“

Eine schwere Trennung?“ fragte er. Ich zögerte.

Du brauchst es mir nicht zu sagen!“ sagte Jannis schnell.

Ich schwieg. Jannis auch. Nach einer Zeit begann ich zu erzählen:

Ich lernte Harry in der Uni kennen. Er war in meinem Deutsch-Kurs. Er sprach mich an, als er seinen Kuli vergaß. Ich lieh ihm einen und dann sprachen wir öfters. Nach einigen Wochen gingen wir ins Kino und Essen. Dann küsste er mich und bald waren wir zusammen. Ein halbes Jahr dachte ich, er wäre meine große Liebe. Doch dann sah ich ihn im Supermarkt. Mit einer blonden Tussi. Dabei hatte Harry gesagt, er wäre bei seiner Familie in Berlin. Er sagte, es wäre eine einmalige Sache gewesen und ich gab ihn eine zweite Chance. Doch dann erwischte ich ihn wieder. Und ich machte endgültig Schluss.“ Mittlerweile rannen mir die Tränen über die Wangen. Jannis parkte den Wagen am Seitenrand und nahm mich in den Arm.

Eine Zeitlang war es still, man hörte nur Jannis leisen Atem und mein schluchzten. Dann sagte Jannis plötzlich: „Du liebst ihn immer noch, oder?“„Nein!.... Ja!.... Vielleicht! Ich weiß es nicht.“ Jannis sah mich an. In seinem Blick lag etwas, was ich nicht deuten konnte. Mitleid? Oder etwas anderes? Wir fuhren weiter und hielten an einem Waldstück. Er führte mich zu einer Lichtung mit einem See. Wir stiegen aus, und er bereitete ein kleines Picknick vor.

Dies ist mein Lieblingsplatz.“ sagte Jannis, als wir beide auf einer Decke saßen. „Hier ist es schön, friedlich und so still...“ sagte ich und schloss meine Augen.

Während des Picknick sprachen wir hauptsächlich über Jannis Leben hier in Paris und über meins in Mönchengladbach.

Nach dem Picknick fragte Jannis:

Wollen wir baden?“ und zeigte auf den See. „Gerne!“ sagte ich.

Ich guckte mich nach einer Stelle um, wo ich mich umziehen konnte.

Ich gucke nicht.“ sagte Jannis und drehte sich weg. Schnell zog ich mir Miras schönen hellgrünen Bikini an. Er war schon im Wasser. Ich sprang hinterher.

Das Wasser war schön kühl, was in der Sommerhitze angenehm war.

Ohne Vorwarnung zog mich Jannis unter Wasser. Ich kämpfte mich lachend wieder hoch. „Idiot!“ schimpfte ich lachend und schlug ihn gegen die Schulter.

Aua!“ sagte er gekünstelt und sein Finger strich mir über meine Wange.

Du hast hier was!“ Ich war ihm so nah. Plötzlich spürte ich seinen Mund auf meinem. Seine Lippen waren weich. Halleluja! jubelte mein Gehirn

Was zum Teufel tust du da? Er ist nicht Harry, sagte mein Gewissen. Wieso hatte ich ein schlechtes Gewissen? Ich war nicht mehr mit Harry zusammen.

Ach scheiß drauf! dachte ich. Ich schlang meine Hände um Jannis Hals.

NEIN! schimpfte mein Gewissen.

Ich nahm meine Hände von Jannis Hals, drückte sie vor seine Brust und schubste ihn weg. „Oh, es tut mir so leid Ally. Ich wollte es nicht.“

Ich ging aus dem Wasser und zog mich schweigend wieder um.

Als wir im Auto saßen, flehte Jannis: „Sag doch was Ally.“

Also, so schlecht war der Kuss nicht, aber ich weiß nicht, ob ich schon bereit für eine Beziehung bin.“

Im Hotelfoyer saßen Mira und Ethan. Als sich Jannis von mir verabschiedete, beugte er sich zu mir vor. Erst dachte ich, er würde mich erneut auf den Mund küssen, aber er hauchte mir nur einen Kuss auf die Wange.

Schnell ging er dann weg.

Wieso sah Jannis denn aus, als hätte ihn jemand auf den Fuß getreten? Warte mal... ihr habt doch nicht etwa?“ vor Mira konnte man nichts geheim halten. „Er hat mich geküsst, und ich habe ihn weggestoßen.“

Krass! Wieso hast du ihn weggestoßen?“ fragte Mira

Ich gehe jetzt duschen!“ sagte ich anstatt einer Antwort.

Ich wusste nicht, warum ich so traurig war.

Unter der Dusche bekam ich wieder einen klaren Verstand.

Jannis hatte gerade unsere Freundschaft ruiniert. Scheiße...

Plötzlich bekam ich einen hysterischen Heulanfall.