4.8. (Tag 7)

4.8.

Am nächsten Morgen piepste mein Handy: Jannis hat dir eine Whats-App-Nachricht geschickt:

Hey! Gehen wir nachher wieder auf die Lichtung?

Gerne

Die Lichtung war in goldenes Sonnenlicht getaucht. Ich hatte Jannis Jacke über die Schultern, da mir kühl war. Ich schloss die Augen.

„Alles ok?“ fragte Jannis. „Klar!“ antwortete ich.

„Geht´s dir besser?“

„Ja, sorry nochmal.“

„Ach, es war auch lustig. Du hast echt eine tolle Stimme. Und wie du drauf getanzt hast...“

Wütend starrte ich ihn an:

„Du bist so ein Blödmann.“

„Ally, bitte. Das war doch nicht ernst gemeint.“ Er hielt meinen Arm fest.

„Fass mich nicht an.“ fauchte ich ihn an. Ich riss mich los und rannte davon. Erst bei Jannis Wagen kam ich zu stehen. Ich fasste in die Tasche seiner Jacke, die immer noch über meine Schulter hing. Ich fühlte kaltes Metall. Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte, weil er mir nachrannte.

Jannis

Ich sah noch die Rücklichter meines Wagens.

Ich fluchte einige französische Schimpfwörter. Wieso war Ally so starrköpfig? Und wieso hatte ich mich wie der letzte Idiot benommen?
In der Hosentasche hatte ich zum Glück noch mein Handy.

Ich wählte Ethans Nummer.

Er versprach mich abzuholen.

Ich setzte mich auf einen Stein und begann zu warten. Als er nach 30 Minuten immer noch nicht da war, wurde ich unruhig. Ich brauchte nur 20 Minuten von hier bis zum Hotel und Ethan fuhr schneller und waghalsiger. Vielleicht war was passiert.

Mein Handyakku war leer. Verzweifelt schleuderte ich das Handy gegen den Stein. Der Display bekam eine Riss. BlödesTeil.

„Weiber... macht man ihnen ein Kompliment, und schon ticken sie aus!“ murmelte ich vor mich hin.

Nach ca. 15 weiteren Minuten bog endlich ein Auto auf den Waldweg.

Doch es war nicht Ethans schwarzer Van, wie ich gehofft hatte. Es war Dads Auto.

„Dad, wo ist Ethan?“ fragte ich als er ausstieg. Als ich sein Gesicht sah, wusste ich, dass was schlimmes passiert war. Doch trotzdem schlug es mir in den Magen, als Dad sagte: „Im Krankenhaus.“

„Nein!“ flüsterte ich.

„Ihm geht’s gut. Er hat Mira ins Krankenhaus gebracht. Alicia hatte einen Autounfall.“

Mir wurde noch schlechter.

Dad umarmte mich.

„Wie geht’s ihr? Ich will ins Krankenhaus.“

„Sie ist so weit ich weiß außer Lebensgefahr. Aber mehr weiß ich auch nicht.“

Außer Lebensgefahr. Diese Worte beruhigten meinen Magen ein bisschen.

Ich hasste den Krankenhausgeruch. Es roch nach Leid, Schmerz und Tod. Und nach Reinigungsmittel.

Als ich die Zimmertür von Allys Krankenhauszimmer aufstieß, blieb ich schockiert in der Tür stehen.

Ally sah weißer aus, als die weiße Wand hinter ihr. Sie hatte eine Platzwunde über dem rechten Auge. Der linke Arm steckte in einen Gips.

Aber sie sah besser aus, als ich erwartet hatte.

Mira saß neben ihrem Bett und hielt Allys unversehrte Hand.

„Jannis!“ sagte sie, als sie mich sah.

„Mira! Wie geht’s ihr?“ fragte ich.

„Sie hat eine Platzwunde, ihr linker Arm ist gebrochen. Außerdem hat sie eine Gehirnerschütterung. Sie ist immer noch bewusstlos. Die Ärzte sagen aber, es hätte schlimmer kommen können.“

„Das ist alles meine Schuld. Hätte ich mich nicht wie ein Idiot aufführen dürfen, dann wäre sie auch nicht weggefahren.“

Mira schlang ihre Arme um meinen Hals: „Es ist nicht deine Schuld.“

„Wo ist Ethan?“

„Er übernimmt deine Barschicht im Hotel!“ sagte Mira.

„Wow, dass ist ja nett.“

Am selben Tag, Abends

Abends sagte Mira: „Ich gehe mal einen Kaffee holen! Möchtest du auch einen?“

„Gerne.“

Mira ging aus dem Zimmer und ich nahm Allys leblose Hand.

„Ich liebe dich.“ flüsterte ich.

Ihre Augen flackerten auf und zu

Erleichtert seufzte ich.

„Jannis?“ fragte sie leise.

„Ich bin hier Ally!“ ich strich ihr durchs Haar.

Mira kam wieder rein. Sie ließ fast die Kaffeebecher fallen, als sie sah, dass Ally wach war.

„Ally!“ rief Mira und rannte auf sie zu.

„Wie geht’s dir?“ fragte ich Ally.

„Kopfschmerzen. Und mein Arm tut weh! Was ist passiert?“

„Du hattest einen Autounfall. Erinnerst du dich?“

„Ich habe versucht auszuweichen.“ sagte sie nur.

„Jedenfalls bist du dann ins Krankenhaus gekommen. Mein Vater hat einen deutschen Arzt einfliegen lassen. Nicht, weil er den französischen Ärzten nicht vertraut, sondern weil du mit den Arzt dann ohne Missverständnisse oder Sprachproblemen kommunizieren kannst. Du hast eine Platzwunde und dein linker Arm ist gebrochen. Außerdem hast du eine Gehirnerschütterung. Die Ärzte sagen aber, es hätte schlimmer kommen können.“ beruhigte Mira.

„Vielleicht sollten wir mal eine Krankenschwester oder einen Arzt holen.“ schlug ich vor.

„Ich gehe schon.“ sagte Mira und ging aus dem Zimmer.

„Was ich an der Lichtung gesagt habe, tut mir leid.“ sagte ich zu Ally und nahm ihre Hand.

„Ach ist schon vergessen.“

Unangenehmes Schweigen folgte.

Ally lächelte schüchtern: „Wie bist du eigentlich nach Hause gekommen?“

„Dad hat mich abgeholt. Eigentlich hatte ich Ethan angerufen, aber hat Mira zu dir ins Krankenhaus gebracht.“

„Es tut mir leid!“

„Was tut dir leid?“

„Dass mit deinem Wagen und dass ich dich stehen gelassen habe und so!“

„Ach ist schon vergessen.“ Ich lachte auf.

Der Arzt erlaubte, dass Mira und ich Ally in einem Rollstuhl in den Gemeinschaftsraum schieben durften.

Ich beobachtete sie während sie mit Mira herumalberte.

Ich schlug auf den Tisch, um Gehör zu bekommen und sagte auf französisch:

„Könnt ihr mir mal bitte kurz zuhören?

Ich liebe dieses Mädchen hier. Nur leider hat sie sich mal vor mir mit Karaoke singen blamiert und das findet sie immer noch schrecklich. Deswegen werde ich mich jetzt mal genau so blamieren. Ich entschlussfreudige mich schon mal vorher.“

Alicia

Das machte er jetzt nicht ernsthaft?!?

Der war doch verrückt. Doch Jannis zog schon sein Handy aus der Tasche um die Karaokeversion eines Liedes herauszusuchen.

Schon bei den ersten Tönen erkannte ich das Lied: More than this von One Direction

I'm broken
Do you hear me
I'm blinded
Cause you are everything I see
I'm dancing, alone
I'm praying
That your heart will just turn around

And as I walk up to your door
My head turns to face the floor
Cause I can't look you in the eyes and say

When he opens his arms
And holds you close tonight
It just won't feel right
Cause I can love you more than this, yeah
When he lays you down, I'm might just die inside
It just don't feel right
Cause I can love you more than this
Can't love you more than this

 

Mehr brachte er nicht raus, weil ich ihn küsste.